Von Pillendrehern und Plätzchenbäckern

Medizin und Pharmazie leisten immer noch Großes für die Menschheit. Es ist erstaunlich und faszinierend zugleich, was hier in den vergangenen Jahrhunderten alles passiert ist. Vor knapp 150 Jahren wurden – wenn auch mit ganz anderen Maßstäben als heute – erstmals „maschinell“ Tabletten hergestellt. Die kleinen Apparaturen verdienten kaum den Namen „Maschine“, die Apotheker wurden im Volksmund nur „Pillendreher“ genannt. Ob des großen Geschicks bei der Pillenherstellung genossen sie allerdings dasselbe Ansehen wie kunstfertige Handwerker. Denn die kleinen runden Pillen – damals Pilulae genannt – wurden nicht nur von Hand gedreht, sondern – für die besonders gut situierte Kundschaft – auf Wunsch sogar vergoldet. Doch bis der Kranke seine Arznei für ein paar Taler kaufen konnte, hatte der Apotheker eine Menge zu tun. Und das erinnerte gar nicht immer an Arznei, sondern eher an eine Backstube. Denn zuerst musste – einfach ausgedrückt – eine Masse aus Hefe, Glyzerin und destilliertem Wasser oder aber aus Süßholzsaft und -wurzel hergestellt werden. Als Wirkstoff gab man dann beispielsweise Baldrian dazu, was der Beruhigung diente. Jetzt musste der Teig nur noch in Form gebracht werden, womit wir uns wieder in der Analogie der Backstube und der Plätzchen befinden. Zuerst wurde die Masse ausgerollt. Bevor ein findiger Apotheker zur Herstellung der Pilulae das so genannte Pillenbrett erfand, wurde von Hand gerollt, geschnitten und geformt. Neben den Pilulae kannte man noch die Tabulae, Rotuli, Trochisci und die Pastili, wobei die nach deutscher Methode hergestellten Pastili als Vorläufer der Tablette betrachtet werden können. Auch hier wurden Pulvermischungen befeuchtet, geknetet, ausgestrichen, getrocknet und meist rautenförmig zugeschnitten oder in Form gepresst. Eine erste offizielle Monographie für Tabletten gab es im DAB VI von 1926, eine Erwähnung war bereits im DAB V von 1910 in der Monographie Pastili enthalten.

Wenn Sie jetzt kurz vor Weihnachten Ihre ersten Plätzchen backen, versuchen Sie es doch selbst einmal mit dem Formen. Sie werden feststellen: Es ist gar nicht so leicht und braucht Zeit und Geduld! Vorteil beim Backen: Schmeckt das Ganze nicht wie gewünscht, noch eine Prise Zimt oder Zucker dazu und schon können größere Schäden vermieden werden.

Bei den ersten handgefertigten Tabletten hingegen war eine gleichmäßige Dosierung kaum möglich, was unweigerlich zu Schwankungen des Wirkstoffgehaltes führen musste. Alles in allem eine unwissenschaftliche, ineffiziente und vor allem hygienisch fragwürdige Angelegenheit, die noch einmal einen ganz anderen, besonderen Blick auf die Erfindung der ersten Tablettenpresse und die Industrialisierung mit ihren hohen Hygienestandards verschafft. Man führe sich bildlich vor Augen: Moderne Tablettenpressen der Gegenwart haben einem Output von ca. 200 000 Stück pro Stunde.

So viele Plätzchen werden wir in der heimischen Küche nicht herstellen, weshalb eine 100 prozentige Automatisierung – von modernen Hightech-Geräten abgesehen – weder erforderlich noch gewünscht ist. Schon gar nicht zu Weihnachten, wo die Plätzchenherstellung traditionell mehr zelebriert als automatisiert wird. Für viele ist es die erste Zeit des Jahres, in der sie ihre Geschwindigkeit drosseln und die persönliche Taktzahl verringern. Wo beispielsweise das Wort Qualitätskontrolle nur im Zusammenhang mit Plätzchengeschmack fällt. Auch Naschen genannt. Eine Zeit, wo Herstellung und Themen wie z. B. Primärpackmittel keine Rolle spielen. Wo Sekundärverpackungen in Form von bunten Blechdosen durch die Kinder ausgesucht werden. Wo Beipackzettel einsprachig als nette Weihnachtsgrüße dazugelegt werden. Und wo die einzige Regularie, die es zwingend einzuhalten gilt, die ist, ja niemanden bei seiner Aussendung zu vergessen.

Einen gravierenden Fehler allerdings können Sie machen: Sollte sich am Ende des Herstellungszyklus das komplette Gebäck gut verpackt auf dem Weg zu Freunden und Verwandten befinden, haben Sie ein Problem mit der Lagerhaltung. Denn Vorratshaltung empfiehlt sich bei Plätzchen definitiv mehr als bei Tabletten. In diesem Sinne bleiben Sie gesund und

Fröhliche Weihnachten Ihre Kerstin Jarosch

TechnoPharm 2013, Nr. 6, Seite 0